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26.11.2018 01:00
Propaganda-gelenkter Journalismus
„Es kann von propaganda-gelenktem Journalismus gesprochen werden“
- Verbreiten Nachrichtensendungen in Deutschland und anderen demokratischen
Ländern Propaganda? Eindeutig: Ja, sagt der Journalismusforscher Florian
Zollmann. Der Dozent an der Newcastle University in England, hat sich in einer
Studie mit der Berichterstattung großer Medien über Konflikte wie in Syrien, im
Irak oder im Kosovo auseinandergesetzt. Sein Ergebnis: „Die Politik der NATO und
USA wurde dabei nicht substantiell hinterfragt.“... [Quelle:
nds.de / von Marcus Klöckner] JWD
Screenshot | Vortrag Florian
Zollmann | Quelle: FLLDTunghai via Youtube | veröffentlicht
07.12.2017
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"Propaganda, Fake
News, and Militarism in an Age of George Orwell"
Lecture by Dr. Florian Zollmann, Lecturer
in Journalism at the University of Newcastle, UK; "Propaganda, Fake
News and Militarism in an Age of George Orwell"; presented
24/11/2017 in the Department of Foreign Languages and Literatures at
Tunghai University, Taiwan; co-funded by the Erasmus Plus Programme
of the European Union (Jean Monnet Information Project "George
Orwell and the Idea of Europe").
..Youtube |
(Fortsetzung nds.de/Marcus Klöckner)
...Beispielsweise die Gräueltaten der Verbündeten habe man in der
Berichterstattung an den Rand gedrängt. Für Zollmann ist bewiesen, dass es
häufig einen Gleichklang zwischen Mehrheitsmeinungen in der Politik und der
journalistischen Berichterstattung gibt. So passiere es, dass immer wieder in
den Nachrichten „die Sicht der politischen Eliten“ in den Vordergrund gerückt
werde, während „kritische Stimmen aus der Bevölkerung, selbst wenn diese in der
Mehrheit sind“, in den Nachrichten kaum noch vorkommen. Ein Interview über
Medien und Propaganda. Von Marcus Klöckner.
Herr Zollmann, wenn von
Medien und Propaganda die Rede ist, dann hauptsächlich im Zusammenhang mit
Medien in Diktaturen. Verbreiten auch Medien in demokratischen Ländern
Propaganda?
In der Tat. Die Idee, dass
Propaganda nur in autoritären Gesellschaften verbreitet wird, ist eine
Illusion. Natürlich finden wir Propaganda in Diktaturen. Viele Menschen scheinen
sich aber nicht bewusst zu sein, dass moderne Propaganda in westlichen
Demokratien entwickelt wurde und sich auch dort einer tiefen gesellschaftlichen
Verbreitung erfreut.
Eine tiefe gesellschaftliche Verbreitung?
Ja, so ist es in der Tat. Und dafür gibt es auch Gründe.
Welche denn?
In westlichen Demokratien sind die Machtsysteme seit der Einführung von Wahlen
und des Gewerkschaftswesens, sowie der rechtlichen Institutionalisierung der
Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, nicht mehr in der Lage, ihre
Herrschaft ausschließlich mittels Gewalt durchzusetzen.
Aber irgendwie wollen die Herrschenden dennoch die soziale Kontrolle?
Richtig. Und soziale Kontrolle wird seit Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts
größtenteils mittels Propaganda erreicht (anders als im Nationalsozialismus, wo
zusätzlich direkte Gewalt und Staatsterrorismus als Mittel der Herrschaft
verwendet wurden). Es kann auch von einer
propaganda-gesteuerten Demokratie gesprochen werden.
Eine „propagandagesteuerte Demokratie“? Da würde Ihnen jetzt wohl gerade auch
so mancher Medienvertreter widersprechen.
Das ist eine Aussage, die Vielen nicht behagt und die Viele nicht hören wollen.
Aber: Je größer die soziale Ungleichheit und damit die Klassenunterschiede
innerhalb einer demokratischen, kapitalistischen Gesellschaft sind, desto
wichtiger wird Propaganda als Instrument der Eliten zur Sicherung von Macht,
Einfluss und Wohlstand. Und wir sehen derzeit eine noch nie dagewesene
Ungleichheit in der westlichen Hemisphäre. Außerdem gilt es zu beachten:
Fachleute aus der Wirtschaft entwickeln seit Jahrzehnten vielfältige
Propagandatechniken, um ihre Produkte in den Verkehr zu bringen. Oftmals
verwenden Konzerne Marketingstrategien, die auf selektiver
Informationsvermittlung oder sogar Täuschung basieren. Die frühe
Geschäftsliteratur fasste diese Techniken unter dem Begriff Propaganda zusammen.
In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurde in den USA begonnen aus
einer Geschäftsperspektive heraus Propagandatechniken in einem industriellen
Maßstab zu entwickeln.
Nachdem die kriegführenden Parteien im Ersten und Zweiten Weltkrieg diese
Techniken für politische Zwecke instrumentalisierten, wurde vielen Menschen das
manipulative Potential von Propaganda bewusst. Das ging aber nicht mit einem
Bedeutungsverlust von Propaganda einher. Fachleute aus Wirtschaft und Politik
entschieden sich vielmehr für die Verwendung neuer Begrifflichkeiten. So führte
Edward Bernays, der Gründungsvater moderner Propaganda, den Begriff Public
Relations ein, nachdem
Propagandatechniken im Krieg von den Deutschen missbraucht worden waren.
Dieser Prozess kann als ein Re-Branding von Propaganda bezeichnet werden. Was
historisch gesehen als Propaganda definiert wurde, hört heute auf Namen wie
Public Relations (PR), Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Branding, Lobbying,
Persuasion, Public Diplomacy, Psychological Operations oder Fake News.
Bei der Verbreitung von Propaganda kommen dann auch die Medien mit ins Spiel?
Ja. Die so genannten Massenmedien sind eine wichtige Institution zur Verbreitung
von Propaganda. Ein Hauptkanal ist natürlich die klassische Werbung, die in
Zeitungen geschaltet wird oder im kommerziellen Rundfunk läuft. Ein großer Teil
dieser Werbung ist in den letzten Jahren ins Internet abgewandert. Aber darum
soll es in unserem Interview ja nicht gehen.
Nein, wir wollen uns auf die Propaganda konzentrieren, die im „etablierten“
Journalismus zu finden ist.
Wenn Nachrichten Propaganda enthalten, dann ist das ein großes Problem und wohl
schlimmer als Werbepropaganda, die uns versucht zum Kaufen eines bestimmten
Produktes zu bewegen. Propaganda, die im Rahmen der journalistischen
Berichterstattung verbreitet wird, kann eine ziemliche Gefahr für die Demokratie
bedeutet. Denn Meinungsbildung durch die Massenmedien gilt als ein Garant für
die Demokratie.
Die Bevölkerung hat im Alltag wenig Einfluss auf ihre politischen
Repräsentanten. Dennoch kann man – vereinfacht dargestellt – davon ausgehen,
dass die Bevölkerung dann in der Lage ist, auf die Politik am besten
einzuwirken, wenn sie durch die Nachrichtenmedien ausreichend informiert wird.
Trotzdem ist es in der deutschen Medien- und Kommunikationswissenschaft und im
Journalismus quasi ein „No-Go,“ Nachrichten mit Propaganda zu vergleichen. Dabei
gibt es insbesondere aus der anglo-amerikanischen Forschung zahlreiche
Beispiele, die genau diesen Zusammenhang belegen.
Wie denn?
Wenn man Nachrichten seziert, dann lassen sich verschiedene Schichten
herausschälen. Zunächst einmal bestehen Nachrichten in der Regel aus einer
Mehrzahl von Quellenzitaten. Ein Merkmal des professionellen Journalismus ist
es, verschiedene Zitate als „objektive“ Fakten in einem gesprochenen oder
geschriebenen Narrativ zu integrieren. Das ist ein potentielles Einfallstor für
politische Akteure, deren Ziel es ist, eine parteiische Sichtweise in den
Nachrichten zu platzieren. Das mag kein Problem sein, wenn Journalisten eine
Vielzahl unterschiedlicher Meinungen veröffentlichen oder Quellen sorgfältig auf
ihre Richtigkeit hin überprüfen.
Empirische Studien in der Journalismus-Forschung bestätigen allerdings, dass
politische Offizielle mit Abstand den Großteil der verwendeten Quellen in
Nachrichten ausmachen. Insbesondere in ihrer Berichterstattung über Kriege und
Außenpolitik aber auch über innenpolitische Sachverhalte spiegeln die Medien die
Diskurse der etablierten politischen Parteien wider. Das ist besonders dann
problematisch, wenn es einen parteiübergreifenden Konsens zu politischen Themen
gibt.
Warum ist das problematisch?
In diesen Fällen zeigt sich, dass die Nachrichten die politische Diskussion
einseitig betonen. Die Sicht der politischen Eliten rückt in den Vordergrund,
kritische Stimmen aus der Bevölkerung, selbst wenn diese in der Mehrheit sind,
werden an den Rand gedrängt oder kommen gar nicht mehr in den Nachrichten vor.
Haben Sie ein Beispiel?
Ein Beispiel ist Deutschlands Beteiligung an der von den USA angeführten
NATO-Militäroperation gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien während des
Kosovo-Krieges von 1999. Wie Studien bestätigen,
folgten die deutschen Nachrichtenmedien den Verlautbarungen der politischen
Elite und legitimierten damit den ersten deutschen Auslandseinsatz seit dem
Zweiten Weltkrieg. Dass es sich bei dieser Intervention um einen
völkerrechtswidrigen Krieg handelte, bei dem es um geostrategische Interessen
und die Existenzberechtigung der NATO ging, wurden in der Mediendiskussion
weitgehend unsichtbar gemacht.
Gibt es noch andere Beispiele für Propaganda im Journalismus?
Ein weiteres Einfallstor für Propaganda besteht in der Mehrfachverwertung von
PR-Material. Idealerweise sollte
Journalismus auf einer Primärrecherche basieren. Das ist allerdings als
Resultat von fortschreitendem redaktionellen Personalabbau immer seltener der
Fall. Viele von Qualitätsmedien publizierte Berichte werden daher von PR
inspiriert oder basieren weitgehend auf solchen Verlautbarungen.
Eine Studie von
Justin Lewis und Kollegen der renommierten Cardiff School of Journalism,
Media and Culture untersuchte den PR-Gehalt der Publikationen angesehener
britischer Nachrichtenorganisation, wie der Sendungen des öffentlich-rechtlichen
Rundfunksenders BBC oder der in überregionalen Tageszeitungen wie The Guardian,
The Independent, Daily Mail und The Times erschienen Artikel.
41 Prozent der untersuchten Zeitungsartikel und 52 Prozent der Rundfunksendungen
bestanden demnach zum Großteil aus PR-Material. Bezeichnenderweise kommt die
Mehrheit dieser PR aus dem Wirtschaftssektor, gefolgt von öffentlichen
Einrichtungen und Regierungsstellen, so die Cardiff-Studie.
PR-Agenturen agierten demnach bei fast der Hälfte der untersuchten Nachrichten
als Agenda-Setter. In Anbetracht dieses Tatbestandes kann denn auch von
Propaganda-gelenktem Journalismus gesprochen werden.
Wie äußert sich Propaganda im Journalismus noch?
Vor allem auch über Ideologie. Untersuchungen zeigen, dass sich in der
Berichterstattung vielfältige ideologische Konstrukte finden. Diese können, wie
angeführt, durch die Quellen- oder PR-Materialien in die Berichterstattung
einfließen. Auch lassen sich in den von Journalisten selbst verfassten
Textpassagen oder Kommentaren ideologische Erklärungsmuster identifizieren. Man
denke zum Beispiel an die von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2003
eingeführte
Agenda 2010, die seither im Prinzip von allen bürgerlichen Parteien
unterstützt und umgesetzt worden ist. In den Nachrichtenmedien und in
öffentlichen Diskursen wird die Agenda 2010 in der Regel als „Reform“
bezeichnet.
Und?
Die Bedeutung des Begriffes „Reform“ beinhaltet die Verbesserung eines
bestehenden gesellschaftlichen Zustandes. Die der Agenda 2010 zugrunde liegenden
Politik forcierte erwiesenermaßen einen Kahlschlag der Sozialsysteme, als dessen
Folge sich in Deutschland die Schere zwischen Arm und Reich noch vergrößert hat.
Tatsächlich handelte es sich bei der Agenda 2010 nicht um eine Reform, sondern
um reaktionäre Sparpolitik. Das widerspricht aber der positiven Darstellung der
Agenda 2010 in den Medien.
Wo zeigt sich in der Berichterstattung noch Ideologie?
In den letzten Jahren kann man auch immer wieder in den Medien davon hören,
Deutschland müsse in der Weltpolitik eine bedeutendere Rolle einnehmen.
Deutschland solle sich mehr an internationalen Militäreinsätzen beteiligen, an
NATO-Operationen oder an einem Heer der Europäischen Union. Auch gehe es bei
dieser Politik darum, die vermeintliche Sicherheit des Westens im Ausland zu
verteidigen.
Wie eine Studie der
AG Friedensforschung aufzeigt, fand in den 1990er-Jahren „ein
Paradigmenwechsel des politischen und friedenswissenschaftlichen Diskurses“
statt. So wurde in intellektuellen und politischen Kreisen eine militärisch
gestützte Außenpolitik salonfähig. Militärinterventionen mit deutscher
Beteiligung werden seither mit Verweis auf Stabilität, Terrorismus oder die
Wahrung der Menschenrechte gerechtfertigt.
Oft heißt es in den Medien auch, Deutschland müsse mehr Verantwortung
übernehmen. Dass dies beschönigende Formulierungen sind, die dazu benutzt
werden, die Bevölkerung auf Krieg einzustimmen, wird allerdings kaum zur
Kenntnis genommen. Auch findet es kaum Beachtung, dass sich Deutschland durch
Interventionen einen größeren Anteil an der Ausbeutung ausländischer Ressourcen
und Märkte verspricht. Diese Propaganda ist besonders gefährlich, weil die von
der CDU angeführte Große Koalition derzeit eine massive Aufrüstung plant.
Am stärksten ist der ideologische Gehalt
der Medien, wenn es um Systemfragen geht.
Wie meinen Sie das?
So lassen sich kaum Berichte finden, in denen der real-existierenden
Kapitalismus grundlegend hinterfragt wird. Gleichzeitig werden sozialistische
Gesellschaftssysteme, die die Interessen der Wirtschaftseliten herausfordern,
dämonisiert. Am bemerkenswertesten ist vielleicht die Tatsache, dass es in
unseren Medien sowie in der weiteren intellektuellen Kultur kaum Hinweise auf
einen möglichen dritten Gesellschaftsweg gibt. Kann es eine egalitäre und
nachhaltige Gesellschaft geben, die alternative Institutionen zu denen des
real-existierendem Kapitalismus und real-existierenden Sozialismus beschreibt?
Diese Frage wird von unseren Medien praktisch ausgeblendet. Die systematische
Aufwertung, Minimierung, oder Auslassung von Ideen, Fakten und Ideologien ist
ein Merkmal von Propaganda und Indoktrination.
In Ihrer Forschung spielt das Propagandamodell von Herman und
Chomsky eine große Rolle. Was hat es damit auf sich?
Das Propagandamodell, entwickelt von Edward S. Herman und Noam Chomsky in ihrem
Buch
Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media (The Bodley
Head, 2008), umfasst ein Bündel von grundlegenden Annahmen über die Verteilung
von Macht in der Gesellschaft, die auch von der politisch-ökonomischen Theorie
innerhalb der Gesellschaftswissenschaften thematisiert werden.
Das sollte kurz ausgeführt werden: Insbesondere die Konzernelite und die
reichsten zehn Prozent der Gesellschaft verfügen über große ökonomische Macht.
Diese wird durch Planungsnetzwerke, Lobbygruppen und gemeinsame
Klasseninteressen bestimmt und zur Beeinflussung der Politik eingesetzt. Auch
sind die Mitglieder der Konzernelite in der Politik überrepräsentiert und
verfügen über die Mittel, ihre Interessen bei der Formulierung der Politik
durchzusetzen. Diese gesellschaftliche Machtstruktur bestimmt, so Herman und
Chomsky, auch die Funktionsweise der Medien.
Das Propagandamodell vertritt prinzipiell die Belange der arbeitenden
Bevölkerung und gesellschaftlicher Minderheiten im Gegensatz zu den Interessen
der Politik- und Wirtschaftseliten.
Das Propagandamodell unterscheidet sich damit fundamental von einer aus dem
rechten politischen Spektrum kommenden Kritik an den Medien, wie wir sie von
konservativen Forschern, von US-Präsident Donald Trump oder von der AfD und der
PEGIDA Bewegung kennen. Bezeichnenderweise verweist das Propagandamodell nicht
auf eine Verschwörung…,
… sondern?
… Herman und Chomsky argumentieren, dass strukturelle Faktoren, die sich aus der
Integration der Medien in das Marktsystem ergeben, einen großen Einfluss auf die
Medienberichterstattung haben. Die beiden sagen, die Mächtigen seien in der
Lage, die Prämissen der Diskussionen zu bestimmen, zu entscheiden, was die
Bevölkerung sehen, hören und denken darf und damit die öffentliche Meinung durch
regelmäßige Propagandakampagnen zu lenken.
Im Hinblick auf die Medienschaffenden gehen Herman und Chomsky nicht von
intentionalem Verhalten aus. Vorselektion von richtig denkendem Personal durch
die Eigentümer der Medien sowie vorgefasste Meinungen der Journalisten und ihre
Anpassung an organisationsbedingte Zwänge hätten einen wesentlichen Einfluss auf
die Nachrichtenauswahl. Daher sei Zensur größtenteils Selbstzensur.
Was genau sind diese „strukturellen Faktoren“, von denen Sie sprechen? Bitte
erklären Sie uns das Propagandamodell genauer.
Herman und Chomsky haben fünf Filter erkannt, die zu der propagandistischen
Berichterstattung in freien Medien führen.
Welche Filter sind das?
Eigentum und Besitz an den Medien (Filter 1):
Große Kapitalsummen sind nötig, um in Medienunternehmen zu investieren. Mir
fällt dabei besonders auf, dass Medienbesitzer oder Anteilseigner von
Medienkonzernen in der Regel weiße Männer aus der Wirtschafts- und Finanzelite
sind.
Gesellschaftliche Gruppen, die keine großen Summen auftreiben können, sind damit
nicht in der Lage, in die Medien zu investieren und eigene Medienprogramme
auszustrahlen. Konkret bedeutet dies, dass Frauen, Migranten, ArbeitnehmerInnen
und andere gesellschaftliche Gruppen etc. als Medieneigentümer und Anteilseigner
stark unterrepräsentiert sind.
Werbe- und Marktfinanzierung (Filter 2):
Kommerzielle Medien finanzieren sich zu einem wesentlichen Teil durch Werbung.
Die Medien verkaufen relativ wohlhabende Zuschauer-Zielgruppen an die
Werbeindustrie, deren Gesellschafter aus dem gleichen gesellschaftlichen Umfeld
stammen, wie die Eigentümer der Medien. Es ist daher davon auszugehen, dass die
Medienberichterstattung die Sichtweisen der Werbeindustrie, Eigentümer und
kaufkräftigen Zuschauerschichten überrepräsentiert. Auch fungiert die
Werbeindustrie quasi als eine Lizensierungsbehörde der kommerziellen Medien:
Ohne Werbe-Sponsoring ist es in der Regel nicht möglich, ein auf Journalismus
spezialisiertes Medienunternehmen zu unterhalten.
Und der dritte Filter?
Quellen und Marktfinanzierung (Filter 3):
Journalistische Investigativ-Recherchen sind sehr kostspielig. Als Resultat von
Marktanreizen sind Medien dazu gezwungen, so kostengünstig wie möglich zu
produzieren. Das führt dazu, dass Journalisten auf ein limitiertes Repertoire an
Quellen und auf PR-Material zurückgreifen müssen. Auch verkehren Journalisten
regelmäßig in privilegierten politischen und sozialen Kreisen. Dies führt zu
einer Abhängigkeit von den Sektoren, die am besten in der Lage sind, die Medien
mit Informationen zu füttern. Dazu zählen die Regierung und Konzerne, sowie
sozial-konservative und wirtschaftsfreundliche Experten, die von diesen
Vertretern der Macht finanziert werden.
Zum vierten Filter, der als „Flak“ bezeichnet wird:
„Flak“ ist eine negative Antwort auf Medienberichterstattung, mit dem Ziel, die
Medien einzuschüchtern. Das Propagandamodell geht davon aus, dass insbesondere
regierungsnahe und wirtschaftsfreundliche Lobbygruppen und Think Tanks über die
Ressourcen verfügen, um Macht auf die Medien auszuüben. Natürlich können auch
andere gesellschaftliche Gruppen Druck auf die Medien ausüben, allerdings mit
einem geringeren Grad an Finanzkraft und Koordination.
Dann gibt es noch den fünften Filter.
Ja, das ist der Filter [5] „Ideologie“. Das heißt:
Dominante Ideologien wie der „Antikommunismus“, der „Krieg gegen den Terror“
oder der Glaube an den „freien Markt“ setzen die Parameter der öffentlichen
Diskussionen und fungieren als Kontrollmechanismen gegen Dissens. Diese und
ähnliche Ideologische Annahmen bestimmen die Erklärungsmuster der
Mainstream-Debatten zu bedeutenden Themen.
Diese fünf Filter führen also zu einer Berichterstattung, die nicht mehr
sauber funktioniert?
Genau. Diese Abhängigkeiten und Überlappungen von Journalismus und Macht haben
zur Folge, dass die Unparteilichkeit der Medien verloren geht. Die in unserem
Interview angeführten Beispiele von Propaganda in den Medien sind demnach keine
Einzelfälle: Vielmehr legt eine Analyse der institutionellen Strukturen den
Schluss nahe, dass die Medien regelmäßig mit ihren Inhalten die Interessen der
Machtelite unterstützen. Die Filter drei bis fünf kommen übrigens auch bei
öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern zur Geltung, die eher politischen als
kommerziellen Zwängen ausgesetzt sind.
Zu welchen Ergebnissen sind Herman und Chomsky noch gekommen?
Sie sagen, dass die Bandbreite der politischen Diskussion limitiert ist. Sie
gleicht einem Abbild der offiziellen Diskussion in politischen und
wirtschaftlichen Machtzentren, während eine grundlegende Hinterfragung der
Motive der Innen- und Außenpolitik größtenteils von der Berichterstattung
ausgeschlossen bleibt. Kritik kann natürlich in den Medien geäußert werden,
allerdings bleibt diese weitgehend innerhalb der durch die dominante Ideologie
gesetzten Parameter. Daher ist der Begriff Lügenpresse meiner Meinung nach
irreführend, denn Nachrichten sind weitgehend faktenbasiert. Das heißt:
Propaganda in den Nachrichten kennzeichnet sich durch eine selektive Verwendung
von Fakten und durch die Hervorhebung oder Bagatellisierung bestimmter
Sachverhalte und Ideologien – je nach politischer Zweckmäßigkeit.
Das Propagandamodell basiert allerdings auf einer Holzschnitt-Analyse der
Medien. Diese enthält Spielraum für Modifikationen des Modells, mit denen ich
mich in meiner Forschung beschäftige. Dabei existieren sicherlich Bereiche, in
denen die Medien in der Lage sind, seriösen Journalismus durchzuführen. Ein
Beispiel ist die anfängliche Berichterstattung über den NSA-Skandal, die auch
dank der Hilfe von Edward Snowden das Ausmaß der Überwachung durch
US-amerikanische und britische Geheimdienste verdeutlichte. Auch finden wir in
manchen Tageszeitungen eine gute Berichterstattung über Korruption oder andere
gesellschaftliche Aspekte, wie Fremdenfeindlichkeit oder Ungleichheit.
Wie passt das Modell zu deutschen Medien?
Die angeführten Filter lassen sich auch auf die deutschen Medien übertragen. Es
gibt in Deutschland allerdings nur eine geringe Anzahl an Studien, die das
Propagandamodell berücksichtigen oder kritisch diskutieren. Hier sei die
bahnbrechende Studie von
Dr. Uwe Krüger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig,
genannt (Meinungsmacht:
Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische
Netzwerkanalyse). Krüger untersucht die Verflechtungen politischer,
wirtschaftlicher und journalistischer Macht in Deutschland.
Die von Krüger durchgeführte Netzwerkanalyse kommt zu dem Ergebnis, „dass die
leitenden Redakteure der deutschen Leitmedien der Jahre 2007 bis 2009 außerhalb
ihrer unmittelbaren journalistischen Pflichten vielfältig mit Politik- und
Wirtschaftseliten verbunden waren“ (S. 256).
Dies geschehe durch gemeinsames Engagement in Hintergrundkreisen, Stiftungen,
und Think Tanks. So ist ein Hauptergebnis der Studie „die Einbindung von vier
außenpolitisch tonangebenden Redakteuren von Süddeutscher Zeitung, Frankfurter
Allgemeiner Zeitung, Welt und Zeit in außen- und sicherheitspolitische
Strukturen mit Bezügen zu Bundesregierung, Nato und USA“ (S. 256-257).
Zum einen deuteten diese Netzwerke auf ein Bemühen der Journalisten hin, Quellen
und Informationen aus dem Umfeld dieser bedeutenden Akteure zu bekommen, so
Krüger.
Zum anderen?
Die Studie von Krüger beschreibt auch alarmierende Aspekte dieser Verbindungen:
So zeigt eine Inhaltsanalyse der Artikel der untersuchten Journalisten einen
Zusammenhang „zwischen den Nato- und US-nahen Netzwerken und der Argumentation“
(S.257).
So argumentierten die Journalisten für eine stärkere militärische Beteiligung
Deutschlands in Afghanistan, was „von der Nato und den USA gewünscht, von der
deutschen Bevölkerung jedoch mehrheitlich abgelehnt“ wurde (S. 257). „In den
Kommentaren selbst fanden sich Elemente von Propaganda; eine Auseinandersetzung
mit Einwänden und Kritik fand nicht statt,“ so Krügers Schlussfolgerung (S.
257). Die Ergebnisse meiner Forschung sind im Einklang mit Krügers Arbeit.
Mein Buch Media,
Propaganda and the Politics of Intervention, untersucht die
Berichterstattung von Konflikten im Kosovo, im Irak, in Libyen, Syrien und
Ägypten. Basierend auf einer Auswertung von fast 2.000 Zeitungsartikeln kommt
meine Studie zu dem Ergebnis, dass sich die Erklärungsmuster in der deutschen,
britischen und US-amerikanischen Qualitätspresse weitgehend mit Elitendiskursen
decken.
Die Politik der NATO und USA wurde dabei nicht substantiell hinterfragt. Über
Gräueltaten wurde nur dann berichtet, wenn das politisch bequem war. So
transportierte die Presse Entrüstung über Gräueltaten in ihre Berichterstattung
über sogenannte feindliche Staaten, wie Libyen und Syrien. Ähnliche Gräueltaten
verübt durch die USA oder deren Verbündete wurden in der Berichterstattung
marginalisiert. Daher wird die Öffentlichkeit nur sehr selektiv über
internationale Kriegsverbrechen informiert.
In den USA, Großbritannien oder Kanada findet man heute zahlreiche weitere
Forschungsarbeiten auf Basis des Propagandamodells. Auch haben feministische
Wissenschaftlerinnen und Forscher schon seit langem die medialen Defizite der
Berichterstattung über Frauen aufgezeigt.
Ähnlich hat andere kritische Forschung gezeigt, wie ethnische Minderheiten und
Migranten in den Nachrichten unterrepräsentiert und stigmatisiert werden. Es
erscheint mir, dass solche kritischen Ansätze auch in Deutschland immer mehr
gefragt sind, insbesondere von Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern.
Allerdings fehlt es an einer ausreichenden Anzahl von Lehrstühlen in diesen
Bereichen.
Lesetipp: Zollmann, Florian: Media, Propaganda and the Politics of Intervention.
Peter Lang, 2017.
Link zum Originaltext bei ' nachdenkseiten.de ' ..hier
Passend zum Thema:
04.02.2015 19:30
DAS MEDIEN MONOPOL
Gedankenkontrolle und Manipulationen. © 2006 by M.A.Verick
[Quelle: zeitwort.at] JWD
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Tags: Erosion
der Demokratie, Interviews, Medienkonzentration Vermachtung der Medien,
Medienkritik, PR, Strategien der Meinungsmache, Noam Chomsky, Eliten,
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Medienbarriere, Medienwirtschaft, NATO, Neusprech, PR-Journalismus,
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