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24.07.2012 23:05
Gelten elementare Grundrechte für Kinder nicht? - Bundestag will Kinderrechte beschneiden
Oberwesel/Berlin - Der Deutsche Bundestag hat mit breiter Mehrheit dem
fraktionsübergreifenden Antrag zur "Rechtlichen Regelung der Beschneidung
minderjähriger Jungen" zugestimmt. "Ein Armutszeugnis für den säkularen
Rechtsstaat", meint gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon in seinem Kommentar.
[Quelle: hpd.de] JWD
Es war leider nicht anders zu erwarten: Die Bundestagsabgeordneten haben
mehrheitlich einem von CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entschließungsantrag
zugestimmt, mit dem die Bundesregierung beauftragt wird, gesetzliche Regelungen
zu schaffen, die die religiös motivierte Vorhautbeschneidung minderjähriger
Jungen in Deutschland erlaubt.
Die dringenden Appelle deutscher und
internationaler Kinder- und Jugendärzte, die in Bezug auf die rituelle
Vorhautbeschneidung von einem „erheblichen Trauma“ sprechen (siehe u.a. den
Bericht der „Frankfurter Rundschau“ [..hier] und die Pressemitteilung des Verbands der
deutschen Kinder- und Jugendärzte [..hier]
) verhallten ebenso ungehört im Raum wie die
glasklaren Argumentationen zahlreicher Juristen, die die rituelle
Vorhautbeschneidung als illegitime Körperverletzung und Verstoß gegen die
Selbstbestimmungsrechte der betroffenen Jungen auswiesen (siehe hierzu u.a. das
Urteil des Kölner Landgerichts, das die Debatte auslöste [..hier], den Grundsatzartikel
zur fraglichen Rechtmäßigkeit der Knabenbeschneidung von Prof. Dr. Holm Putzke [..hier]
sowie den Kurzkommentar von Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf [..hier]). [..]
Link zum vollständigen Artikel bei ' hpd.de '
..hier
Karikatur:
Jacques Tilly
Copyright-Hinweis:
Die Karikatur kann frei verwendet werden, sofern sie nicht verändert wird.
Jacques Tilly und die gbs behalten sich jedoch das Recht vor, all jenen die
Publikationsrechte zu entziehen, die in gravierender Weise gegen die Prinzipien
des Humanismus verstoßen. Vertretern diskriminierender Ideologien (Rassisten,
Ethnozentristen, Antisemiten etc.) ist die Nutzung der Zeichnung untersagt.
Vor allem das Eiltempo, in dem die parlamentarische Entscheidungsfindung
vonstatten ging – die sich im Urlaub befindlichen Parlamentarier hatten keine
Zeit, sich mit der Thematik auch nur halbwegs angemessen auseinanderzusetzen -,
belegt, dass es in dieser Frage zu keinem Zeitpunkt darum ging, durch eine
gründliche Abwägung von Argumenten zu einer sachgerechten Lösung zu kommen. [..]
Leider hat der Deutsche Bundestag diese einmalige Chance verspielt. Er hat dafür
votiert, Kinderrechte zugunsten archaischer Riten zu beschneiden, hat die
modernen Werte des säkularen Rechtsstaats überholten religiösen Bräuchen
untergeordnet, hat die so wichtigen Initiativen liberaler Juden und Muslime
geschwächt und sich zum Büttel all derer gemacht, die ihre Glaubensdogmen
partout nicht überdenken wollen, selbst wenn Kinder die Leidtragenden sind.
Noch ist nichts entschieden!
Doch noch ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit nicht gesprochen. Denn der
Erschließungsantrag des Deutschen Bundestags hat im Grunde nur symbolischen
Charakter, entscheidend ist, wie nun das Bundesjustizministerium mit der
Resolution des Deutschen Bundestags verfährt. Und dies ist beileibe keine
leichte Aufgabe! Denn wie auch soll es dem Ministerium gelingen, „unter
Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls,
der körperlichen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern
auf Erziehung einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine
medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen
grundsätzlich zulässig ist“?
Bei genauerer Betrachtung ist diese Forderung der Bundestagsresolution ein
Widerspruch in sich. Denn nachweislich dient die rituelle Vorhautbeschneidung
eben nicht dem Kindeswohl, sie garantiert eben nicht die körperliche
Unversehrtheit des Kindes. Und sie ist notwendigerweise mit Schmerzen verbunden,
die zum einen gravierend (wer die Vorhautbeschneidung mit einer Impfung oder mit
dem Stechen eines Ohrrings vergleicht, hat keine Ahnung oder lügt!) und zum
anderen aus der Perspektive der säkularen Rechtsordnung bei Fehlen einer
medizinischen Indikation völlig unnötig sind.
Zur Religionsfreiheit der Eltern wiederum ist zu sagen, dass sie durch
ein Verbot der Vorhautbeschneidung überhaupt nicht tangiert würde, erstreckt
sich deren Religionsfreiheit doch bloß auf sie selber, nicht aber auf ihre
Kinder! Und bei der Abwägung des Erziehungsrechts der Eltern gegenüber dem
Selbstbestimmungsrecht der Kinder hat die von Deutschland unterzeichnete
UN-Kinderrechtskonvention nun einmal klare Prioritäten gesetzt: Sie schützt die
Rechte der Schwächeren! Wer meint, dass Kinder unter der totalen
Verfügungsgewalt ihrer Erzeuger oder Betreuer stehen, hat nicht einmal im Ansatz
begriffen, was Kinderrechte bedeuten. Es sollte klar sein: Die körperliche
Unversehrtheit des Kindes ist ein Rechtsgut, das deutlich über der
Erziehungsgewalt (sic!) der Eltern steht.
Halten wir fest: Zwar hat der Deutsche Bundestag mit seinem heutigen Votum
hinlänglich gezeigt, wo er sich selbst in Sachen „Kinderrechte“ verortet, doch
noch ist nichts entschieden. Dass die Bundestagsfraktion der Grünen im letzten
Moment davon absah, den Erschließungsantrag zur „Rechtlichen Regelung der
Beschneidung minderjähriger Jungen“ mit den anderen Fraktionen in den Bundestag
einzubringen, mag als kleiner Hoffnungsschimmer gelten, dass die öffentliche
Debatte etwas bewirken kann.
Zudem sollte nicht vergessen werden, dass Justizministerin
Leutheuser-Schnarrenberger, die vor der schwierigen Aufgabe steht, eine
gesetzliche Regelung für die in sich widersprüchliche Forderung des Parlaments
zu finden, gegenüber bürgerrechtlich-humanistischen Forderungen aufgeschlossener
ist als die meisten anderen Vertreter der politischen Klasse. Ihr politischer
Handlungsspielraum ist zweifellos begrenzt, aber wenn sich die Verteidiger der
Kinderrechte in den nächsten Wochen deutlicher artikulieren würden, könnte sie
sich vielleicht davon überzeugen lassen, dass es für einen modernen Rechtsstaat
zwingend erforderlich ist, jene Position zu vertreten, die im Bundestag heute
sträflichst unterging, nämlich: dass Religionsfreiheit niemals bedeuten kann,
Kindern ungestraft Schmerzen zufügen zu dürfen.
Link zum vollständigen Artikel bei ' hpd.de '
..hier
Anmerkung: Mit Ausnahme der Überschrift, handelt es sich beim wiedergegebenen Text um Auszüge einer
Artikels der bei hpd.de am 19.07.2012 veröffentlicht wurde.
..hier
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